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Traditionelle Chinesische Medizin

Begriffsdefinition

Im Westen hat sich die Abkürzung “TCM” zur Bezeichnung der traditionellen chinesischen Medizin weitestgehend durchgesetzt. Die meisten Menschen denken erstmal an Therapieverfahren wie Akupunktur, wenn sie diesen Begriff hören.

Die Fünf Säulen

Die traditionelle chinesische Medizin bietet jedoch sehr viel mehr therapeutische Möglichkeiten. Die fünf so genannten Säulen der TCM umfassen neben der Akupunktur und Moxibustion, die Arzneimitteltherapie, manuelle Therapien in Form von Massageanwendungen, Ernährung nach den fünf Elementen sowie Bewegungs- und Entspannungstherapien.

Historisches

Die Grundlagen der traditionellen chinesischen Medizin wie wir sie heute kennen, wurden gemäß den traditionellen Schriften Chinas vor mehr als 2000 Jahren gelegt. Grabfunde sowie Berichte von chinesischen Historikern lassen jedoch auf “akupunkturähnliche Anwendungen”, beispielsweise mit Steinnadeln oder Fischgräten, vor mindestens 5000 Jahren schließen. Die Ursprünge der chinesischen Pflanzenheilkunde reichen noch viel weiter bis in die steinzeitliche Vergangenheit zurück.

Erste ausführlichere Berichte über Akupunktur erreichten Europa im 16. Jahrhundert im Zuge der Jesuitenmission in China. Parallel dazu reisten einige Ärzte im Rahmen der holländischen Ostindienkompanie nach Japan und schrieben ihre Beobachtungen über dortige Akupunkturanwendungen nieder. So beschrieb z.B. der Lemgoer Arzt Engelbert Kaempfer 1690 erstmals detailliert die Praxis der Akupunktur für europäische Leser.

Yin und Yang

Die Welt, in der wir leben ist dualistischer Natur: Tag und Nacht, Sonne und Regen, Phasen, in welchen wir uns wohlfühlen und solche, während derer es uns nicht so gut geht, wechseln sich ständig ab. Die schönen Momente in unserem Leben lernen wir besonders dann zu schätzen, wenn wir zuvor tiefes Leid erfahren haben.

Yin und Yang sind die traditionellen Ordnungsprinzipien der chinesischen Weltsicht, wie wir sie bereits in dem über 2500 Jahre alten Buch der Wandlungen(I Ging beziehungsweise Yijing) finden. Es sind Polaritäten, die sich wechselseitig hervorbringen und gegenseitig bedingen. Das eine Prinzip kann ohne das andere nicht existieren – ohne Licht kann es bekanntlich keinen Schatten geben.

YIN – ODER DIE WEIBLICHE SEITE
Yin ist seiner Natur nach passiv oder empfangend. Es kühlt, seine Bewegungsrichtung ist absteigend oder nach unten treibend. Es wird mit dem Mond und der Dunkelheit assoziiert.

YANG – ODER DIE MÄNNLICHE SEITE
Yang ist aktiv und wärmend. Es steigt hoch, baut auf, treibt an. Es wird mit der Sonne und Helligkeit in Verbindung gebracht.

In der chinesischen Medizin werden auch die Organe des menschlichen Körpers nach Yin (Nährstoffe oder Energie speichernde Organe wie z.B. die Milz) und Yang (Hohlorgane, die eine Verbindung nach außen herstellen können wie z.B. der Magen), eingeteilt. Auch hier arbeiten Yin und Yang eng zusammen: jedes Yin-Organ hat einen Yang-Partner. Zu viel oder zu wenig Aktivität des einen Organs wirkt sich entsprechend auf die Funktionen des Partners aus.

„KRANKHEIT“ AUS DER SICHT DER TRADITIONELLEN CHINESISCHEN MEDIZIN
Nach TCM-Verständnis entstehen Erkrankungen aus einem Ungleichgewicht des dynamischen Zusammenspiels zwischen Yin und Yang.
Dieses Ungleichgewicht kann aufgrund äußerer oder innerer (krankmachender) Einflüsse entstehen.

Qi und Xue

Qi und Xue treten im menschlichen Körper gemeinsam auf. Dabei gilt Qi gemeinhin als die bewegende Kraft oder Energie (= Yang-Pol). Xue wird im Westen mit dem Blut und Säften assoziiert (= Yin-Pol).

Ähnlich wie bei einer Disharmonie zwischen Yin und Yang können durch Blockaden von Qi oder Stau von Xue funktionelle Störungen bis hin zu schwerwiegenden Krankheiten entstehen. Man sagt, Qi-Blockaden (wie z.B. Schmerzempfindungen) kann man eher mit der Akupunktur, Xue-Stau (wie z.B. Wechseljahresbeschwerden) besser mit der Arzneimitteltherapie behandeln. Bei vielen chronischen Erkrankungen ist jedoch die Kombination von Akupunktur und Kräuterbehandlung notwendig.

Die fünf Elemente und Wandlungsphasen

Das Prinzip von Yin und Yang spiegelt sich auch in der chinesischen Elementelehre und in den fünf Wandlungsphasen wider. Das Element Feuer repräsentiert den Yang-Pol – Wasser hingegen ist der Inbegriff des Yin-Pols. Die anderen Elemente Holz, Metall und Erde bilden die Übergänge zwischen Yin und Yang. Das bedeutet nach chinesischer Vorstellung, dass auch die fünf Elemente wie alle Erscheinungen unserer Welt, dem Gesetz der Wandlung unterworfen sind.

So wie man alle Erscheinungen unserer inneren und äußeren Welt(en) nach Yin- und Yang-Kriterien einteilen kann, so kann man dies auch anhand der fünf Elemente tun.

Es hat sich darüber hinaus im Westen eingebürgert, die Elemente bestimmten Persönlichkeitstypen zuzuordnen. Die folgenden Stichworte können nur einen groben Überblick geben und wurden größtenteils aus dem Buch Traditionelle Chinesische Medizin von Harriet Beinfield entnommen bzw. daran angelehnt. Für weitere Informationen siehe dort.

Das Element Holz

Mit dem Element Holz werden assoziiert: Frühling, Wind, Geburt und Wachstum, Morgendämmerung, ranziger Geruch, saurer Geschmack und die Kraft der Ausdehnung.

DER MANAGER 
Ein „Holz-Typ“ ist charakterisiert durch Pioniergeist, Forscherdrang, Zielstrebigkeit, Impulsivität, Neigung zu Zorn und Aktivität. Er/sie verfügt typischerweise über Mut und Führungsqualitäten, tendiert zum workaholic, ist eher ungeduldig, eckt gerne mit Autoritäten an. Hindernisse und Einschränkungen von außen werden ungern akzeptiert.

CHARAKTERISTISCHE GEWEBE UND ORGAN-FUNKTIONSKREISE
Augen, Nägel, Sehnen und Bänder, Nerven. Organfunktionskreis: Leber/Galle.

Das Element Feuer

Zum Element Feuer gehören: der Sommer, Hitze, Ausbildung und Entwicklung, Mittag, beißender Geruch, bitterer Geschmack und die Kraft der Vollendung.

DER KÜNSTLER 
Der Feuer-Typ ist leicht erregbarer Natur und ein Optimist. Er/sie neigt zu Sentimentalität, redet schnell und gerne, hat Charisma, ist begeisterungsfähig bis euphorisch, liebt die Bühne. In der Erschöpfungsphase neigt er/sie zu Panik und Verwirrung. „Feuermenschen“ haben Schwierigkeiten mit Grenzen und Trennung, verlieren sich gerne in Träumereien und können schlecht für die Zukunft planen.

CHARAKTERISTISCHE GEWEBE UND ORGAN-FUNKTIONSKREISE
Zum Element Feuer gehören das äußere Ohr, die Zunge, die Arterien und der Herz-Dünndarm-Funktionskreis.

Das Element Erde

Zur Erde gehören Feuchtigkeit, Spätsommer, die Reife, der späte Nachmittag, wohlriechender Geruch, süßer Geschmack und der Prozess des Übergangs.

DER SOZIALARBEITER
„Erdmenschen“ sind typischerweise fürsorglich, neigen zu Aufdringlichkeit, sind geselliger Natur, ruhig und aufmerksam, engagiert und nährend. Wenn sie erschöpft sind, neigen sie dazu, sich zu verzetteln, zu Unsicherheit, Undankbarkeit und Energielosigkeit. Mit Unabhängigkeit und Veränderung kommen Erdmenschen nicht so gut zurecht.

CHARAKTERISTISCHE GEWEBE UND ORGAN-FUNKTIONSKREISE
Zum Erdelement gehören der Mund, die Lippen, das Zahnfleisch, Muskeln, Kollagenfasern und Fettgewebe. Die dem Element entsprechenden Organ-Funktionskreise sind Milz-Magen.

Das Element Metall

Dieses Element wird gekennzeichnet durch Trockenheit, den Herbst, das Stadium des Zerfalls, der Abenddämmerung, öliger Geruch, scharfen Geschmack und die Kraft der Zusammenziehung.

DER PERFEKTIONIST
„Metallmenschen“ lieben Rituale und Regeln. Sie sind stur und eher wortkarg, dafür aber gewissenhaft und ehrlich. Ihre Arbeitsweise ist methodisch und man kann sich auf sie verlassen. In der Erschöpfung können Schlampigkeit, Resignation und Unterwürfigkeit in den Vordergrund treten. Unordnung, Spontaneität und zu viel (körperliche) Nähe mögen sie eher nicht.

CHARAKTERISTISCHE GEWEBE UND ORGAN-FUNKTIONSKREISE
Die Haut mitsamt der Körperbehaarung, die Lymphgefäße und Venen gehören zum Element Metall. Lunge und Dickdarm sind die entsprechenden Organe.

Das Element Wasser

Zum Wasser gehören Kälte, der Winter, der Tod, aber gleichzeitig auch das Keimen, Mitternacht, der faulige Geruch, salziger Geschmack und die Kraft der Festigung.

DER PHILOSOPH
„Wassermenschen“ leben gerne zurückgezogen und bescheiden. Sie sind sparsam, vernünftig und haben eine klare Sicht der Dinge. Sie neigen aber auch zu Mißtrauen, Sarkasmus und Zynismus, Voreingenommenheit und Kritiksucht. Sie haben Schwierigkeiten mit gesellschaftlichen Kontakten und Kommunikation, Anpassung und Vertrauen.

CHARAKTERISTISCHE GEWEBE UND ORGAN-FUNKTIONSKREISE
Die dazugehörenden Gewebe sind das Innenohr, die Kopf- und Schambehaarung, Zähne, Knochen – einschließlich Knochenmark, Gehirn und Rückenmark, Anus, Harnröhre, Hals, Eierstöcke und Hoden. Die Organ-Funktionskreise sind Niere und Blase.

Die Wandlungsphasen

Die fünf Elemente sowie die ihnen zugeordneten Jahreszeiten bringen sich gegenseitig hervor.
In der TCM spricht man von einer so genannten Hervorbringungsreihenfolge. Das hört sich sehr theoretisch an. Gemeint ist, dass keine der Phasen an sich von Dauer ist und alleine aus dem „Nichts“ entstehen kann. Alles ist im Fluss, und zwar gemäß einer bestimmten Reihenfolge. In den alten Schriften wird gesagt, der Frühling trägt den Sommer bereits in sich.

Bezogen auf die Elemente in der Natur wird dies im so genannten Nährungszyklus verbildlicht:
Holz lässt Feuer brennen.
Asche (durch Feuer) reichert die Erde mit Nährstoffen an.
Erde bringt Erze (Metall) hervor.
Spurenelemente (Metall) beleben das Wasser.
Wasser nährt Bäume und Pflanzen (Holz).

Was bedeutet dies für die Entstehung von Krankheiten?
Ein Mangel oder ein Überfluss eines Elements beeinträchtigt die nachfolgenden Prozesse oder Funktionskreise. Wenn wir durch äußere oder innere krankmachende Einflüsse zu viel Leberhitze in uns tragen, wird sich die aufsteigende Hitze bei entsprechender Intensität auf den nachgeschalteten Herz-Funktionskreis ausweiten. Mögliche Symptome sind dann Herzrasen, Bluthochdruck, Schlafstörungen und Verwirrung.

Die 10 krankmachenden Faktoren

Krankheitsfaktoren sind eigentlich neutrale Kräfte – sie sind nicht von vorneherein schädlich für uns. Treffen sie jedoch auf eine gestresste und geschwächte Abwehrlage, können sie entsprechende Symptome hervorrufen.

Man unterscheidet innere von äußeren krankmachenden Faktoren.

Äussere Krankmachende Faktoren
Hiermit sind fünf so genannte (potentiell) überfordernde Witterungseinflüsse gemeint:
– Wind
– Hitze
– Trockenheit
– Feuchtigkeit
– Kälte

Ein bisschen Wind oder Hitze macht kaum jemanden etwas aus. Es wird uns nicht wirklich aus dem Gleichgewicht bringen. Je intensiver der Witterungseinfluss aber wird oder je empfindlicher wir gegenüber einem spezifischen klimatischen Reiz sind, umso schneller werden wir darauf reagieren.

Am Beispiel des Windes (= Yang) kann man das schön sehen. Wenn es draußen stürmt und tobt, die Fensterläden klappern und das Licht im Haus flackert, spüren viele Menschen in sich eine aufsteigende Nervosität. Wenn Sie nun ein Holztyp sind und ohnehin empfindlich auf Wind reagieren, wird sich der Sturm draußen auf ihren latent oder auch offenbaren inneren Wind unter Umständen fatal auswirken. Man wird gereizt bis zornig, vielleicht folgt eine Migräneattacke oder in extremen Fällen kann es zu einem Schlaganfall kommen.

Innere Krankmachende Faktoren

In diese Kategorie gehören fünf Emotionen, die wohl jeder Mensch aus seinem eigenen Erleben kennt:
– Wut
– Freude
– Traurigkeit
– Grübeln
– Angst

Auf den ersten Blick mögen die inneren und äußeren Faktoren nicht viel gemeinsam haben. In der Tat aber sind sie über die fünf Wandlungsphasen und die 5-Elemente-Lehre eng miteinander verbunden.

Jeder kennt aus eigener Erfahrung den Einfluss der aktuellen Wetterlage auf unser Gemüt. Wenn die Sonne scheint, fühlen die meisten von uns sich gleich wesentlich beschwingter und sind frohen Mutes. Etwaige Hindernisse können uns nicht viel anhaben. Beide Faktoren Sonne (= Hitze) sowie das Gefühl des beschwingt seins (= Freude) werden dem Element Feuer zugerechnet. Regnet es indessen den ganzen Tag „blasen wir eher Trübsal”, sind schwerfällig und träge – körperlich und geistig. Feuchtigkeit und die Neigung zum Grübeln gehören zum Element Erde. Wir sehen anhand dieser Beispiele, dass die äußeren (= Makrokosmos) und die inneren Faktoren (= Mikrokosmos) ihrem Wesen nach gleicher Natur sind.

Diagnosenstellung in der TCM

Bevor der Therapeut die Behandlung beginnen kann, muss er sich ein Bild von dem Krankheitsgeschehen des Patienten machen können. Nicht jeder Patient, der mit Bauchschmerzen in die Praxis kommt, benötigt die gleiche Therapie – die notwendigen Maßnahmen können sogar sehr gegensätzlich sein. Ziel der Diagnostik ist es daher neben der Diagnosestellung auch immer, den individuellen Krankheitsmechanismus des Patienten, also die Entstehungsdynamik der jeweiligen Beschwerden, zu verstehen.

Dazu werden in der Regel vier diagnostische Verfahren eingesetzt:

1. BEFRAGEN
Nachdem der Patient seine Beschwerden mitgeteilt hat, hakt der Therapeut durch weitere Fragen nach. Wodurch werden Ihre Schmerzen verschlimmert/gebessert? Gibt es eine bestimmte Tageszeit, zu welcher die Schmerzen besonders intensiv sind? Auch Fragen zum seelischen Befinden, nach vergangenen Infekten oder Schlaf und Essverhalten können zu einer Befragung (Anamnese) dazu gehören.

2. RIECHEN UND HÖREN
Wie riechen die Ausscheidungen, wie z.B. Schweiß des Patienten? Wie klingt der Husten – eher hohl oder pfeifend?

3. BETRACHTEN
Neben der allgemeinen Betrachtung des Erscheinungsbilds des Patienten hat sich hier vor allem die Betrachtung der Zunge und der Augen etabliert.
Die Zunge wird nach TCM-Tradition in unterschiedliche Organzonen unterteilt. Farbliche und strukturelle Veränderungen in diesen Regionen lassen auf entsprechende Störungen der dazu gehörenden Organe oder Funktionskreise schließen. Eine feuerrote Zungenspitze zum Beispiel kann auf Herzfeuer hinweisen, ein gedunsener Zungenkörper mit Zahneindrücken hingegen deutet auf inneren Schleim und eine Milzschwäche hin.

4. BETASTEN
Hier steht das Ertasten der verschiedenen Organpulse an beiden Handgelenken im Vordergrund.
Wie fühlt sich der Puls an? Eher schlüpfrig (= Hinweis auf Schleim) oder drahtig (= Hinweis auf Wind)?
Aus den Ergebnissen der einzelnen Untersuchungsschritte leitet der Arzt die individuelle Krankheitsentwicklung ab und kann so schließlich die Diagnose stellen.